Germania —

Beschützerin von Kunst und Wissenschaft

Ein Wandbild kehrt zurück

GERMANIA — BESCHÜTZERIN VON KUNST UND WISSENSCHAFT

Als im Jahre 1893 die World’s Columbian Exposition in Chicago stattfand, war das Highlight des deutschen Pavillons ein monumentales Wandgemälde der KPM, bestehend aus 1057 kunstvoll bemalten Kacheln. In den sechs Monaten der Weltausstellung bestaunten über 27 Millionen Besucher das Kunstwerk, - mit rund 6 x 5 Metern eines der größten je von der KPM gefertigten Bilder. Alexander Kips, damals künstlerischer Leiter der KPM, konzipierte und gestaltete das Werk unter dem ursprünglichen Titel Germania Protects Art and Science (Germania beschützt Kunst und Wissenschaft).

Germania auf der Weltausstellung in Chicago

Originalaufnahme von 1893

 

Entstehung

Das Wandbild wurde in einem Zeitraum von über einem Jahr von mehreren Künstlern der KPM gefertigt, mindestens drei der besten Meistermaler (durch die Signaturen belegt) waren an der Entstehung des Fliesenbildes beteiligt. Die Porzellanfliesen wurden auf einem raumgreifenden Gestell befestigt und der Entwurf dann vom Papier auf das Porzellan übertragen. Der ungewöhnlich starke Glanz der bemalten Fliesen entstand durch spezielle Aufglasurfarben.

 

Bildbeschreibung
Mittelteil

Im Mittelpunk der Szene steht die Allegorie der Germania als Personifikation des damaligen Deutschlands. Sie thront vor dem Hintergrund der hoch aufstrebenden Zwillingstürme des Kölner Doms – damals das höchste Bauwerk der Welt und ein herausragendes Beispiel der Baugotik. Am Himmel schweben Engelsfiguren mit Palmenwedeln und Posaunen als Zeichen des Friedens, darunter befinden sich zwei weibliche Figuren, die Kunst und Industrie repräsentieren sollen. Gegenüber, zu ihrer Linken, bilden insgesamt vierzehn historische Persönlichkeiten aus Kunst und Wissenschaft eine Gruppe, darunter der Künstler Albrecht Dürer, der Philosoph Gottfried Wilhelm von Leibniz oder der Buchdrucker Johannes Gutenberg – die, wie uns der Titel des Kunstwerks verrät, von der Germania beschützt werden.

Ferner sieht man wehende Fahnen, die sich auf Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg beziehen, - die größten Länder also, die 1871 zu einem politisch und administrativ integrierten Nationalstaat vereint wurden. Daneben zwei weitere männliche Figuren: der eine mit Weinfass (vermutlich als Symbol für die Landwirtschaft), der andere hält das Seil zu einer Barke (als Allegorie des Rheins und somit der Industrialisierung) in der Hand. In der Mitte verstecken sich zwei Fabelgestalten als Verweis auf das Rheingold, den Schatz der Nibelungen. Zu den Füßen Vater Rheins sind opulente Kunstgegenstände ausgebreitet, unter denen sich auch Erzeugnisse der KPM und des Kunsthandwerks befinden.

Ausschnitt Porzellan Wandgemälde

 
 

Bildbeschreibung Seitenpaneele

Die zwei kleineren Seitenpaneele stellen Putti und Beispiele aus der dekorativen Kunst dar: links mehr das Religiöse (Kruzifix, Reliquien), rechts mehr das Säkulare (Helm, Armbrust und Bierkrug). Sie stammen ebenfalls aus der Werkstatt von Kips, signiert sind sie von Gustav Kreibich und Walter Goltz.

Bedeutung

Die Konstellation von Mythe, Legende, Historie und Kulturgeschichte proklamiert aus damaliger Sicht etwas wesentlich Deutsches, genauer gesagt: Wilhelminisches. Schließlich war es diese Ära, in der das Kunstwerk entstand und in der die beiden Hohenzollernkaiser Wilhelm I. und sein Enkel Wilhelm II. regierten – letzterer an der Macht, als das Porzellanwandgemälde in Chicago eintraf. Das Bild der Germania stellt das Wilhelminische Konzept vom (aus heutiger Sicht durchaus zu problematisierenden) idealisierten Germanischen dar, dessen Selbstbewusstsein und den imaginativen Versuch, das Wesentliche dieser nationalen Identität, wie sie im späten 19. Jahrhundert verstanden wurde, zu definieren.

 

Provenienz

Nach der sechsmonatigen Weltausstellung ging das Bild in den Besitz des Germania Clubs in Chicago über, wo es den Ballsaal schmückte, und 1953 dort auch von Bundeskanzler Konrad Adenauer bewundert wurde. Der Verein, der der deutsch-amerikanischen Elite Chicagos ein kulturelles Zuhause gab, taufte das Gemälde in Glory of Germania um.

Als der Club 1986 aufgelöst wurde, suchte man einen geeigneten neuen Standort für das Bild - was aufgrund der enormen Größe nicht gelang.

In sechzehn Kisten verpackt landete es auf dem Dachboden einer deutsch- amerikanischen Seniorenresidenz in einem Vorort von Chicago. Detektivarbeit von Prof. Dr. Reinhard Andress (Loyola University Chicago) und erstaunliche Zufälle waren notwendig, um den genauen Lagerort ausfindig zu machen. Schließlich wurde Kips‘ Porzellanwandgemälde im DANK Haus, einem anderen deutsch-amerikanischen Verein in Chicago, von Juni bis Dezember 2018 auf dem Boden ausgelegt. Eine Schenkung des German American Heritage Institute, inzwischen der langjährige und rechtmäßige Betreuer und
Besitzer des Kunstwerkes, an die KPM hat es nun ermöglicht, dass die Germania – Beschützerin von Kunst und Wissenschaft, wie die KPM das Kunstwerk nun nennt, nach Berlin zurückkommt und von der Manufaktur restauriert wird. Somit wird ein einmaliges Kunstwerk der traditionsreichen KPM
für die Zukunft gerettet.

Ihr Engagement

Der Zweck der Stiftung Königliche Porzellan-Manufaktur ist das Sammeln, Bewahren, Erforschen, Ausstellen und Vermitteln des materiellen Kulturgutes und der immateriellen Handwerkskunst der KPM. Mit dem Germania Wandfliesenbild widmet sich die Stiftung dem ersten großen wissenschaftlichen Projekt. In den kommenden zwei Jahren wird das Unikat professionell restauriert, um es für die Nachwelt zu erhalten und eine dauerhafte Präsentationsform vorzubereiten. Alle 1057 Fliesen müssen gereinigt und für eine spätere Montage aufbereitet werden, bei fast 200 Fliesen sind hinzukommend schwerwiegende Beschädigungen zu beheben. Parallel beginnt die Forschung zum historischen Kontext des Objektes, die zusammen mit der Projektdokumentation in einer Publikation veröffentlicht werden soll.

Mit Ihrer Unterstützung kann dies möglich gemacht werden. Tragen Sie dazu bei, dieses wertvolle Kulturgut zu erhalten. Wir freuen uns über Spenden an folgendes Bankkonto:

Stiftung Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin
Stichwort: Wandbild Kips
IBAN: DE 59 1003 0400 2030 2198 59
BIC: ABKBDEB1